Stadtpolitik::Solidarity with Liebig34&Rigaer94::Letters from the Neighbours

2020

Liebig12 & FCKtheFCKRZ _VIDEO here / DE_EN

Moin, hier ein Anliegen in Sachen Stadtpolitik.

Unsere Nachbarn stehen kurz vor der Räumung. Mal wieder ein Hausprojekt mit Pauken und Trompeten weggefegt und mit so hohem Einsatz von Steuergeldern, daß man dafür das Haus kaufen könnte… Und bevor wieder nur die die Schlagzeilen in den Köpfen hängen bleiben, hier ein Statement von uns NachbarInnen….

Berlin, den 5.10. 2020

Erklärung von Nachbar*innen der Rigaer Straße und der Liebigstraße zur beabsichtigten Räumung der Liebig34

Als direkte Nachbar*innen aus der Rigaer Straße und der Liebigstraße fordern wir angesichts der beabsichtigten Räumung des Hausprojektes Liebig34:

1. Keine Amtshilfe durch die Polizei für die Räumung am 9. Oktober
2. Ein Moratorium für die Räumung des Hausprojektes Liebig34 bis zum Frühjahr 2021
3. Während des Moratoriums konstruktive Verhandlungen aller Beteiligten, den Erhalt des Hauses Liebig34 als soziales Projekt-Haus im bisherigen Sinne langfristig zu sichern
4. Auch für den Fall einer Räumung fordern wir zukünftig die Perspektive der Liebig34 als soziales Projekt-Haus
Mit Fassungslosigkeit haben wir den für den 9. Oktober 2020 angekündigten Räumungstermin für das Hausprojekt Liebig34 zur Kenntnis genommen.

Mitten in einer beispiellosen Pandemie, mit wieder alarmierend hohen Infektionszahlen, kurz vor dem Winter, durch eine Räumung Menschen obdachlos zu machen, ist ein Akt sozialer Kälte.

Wir sind konsterniert darüber, dass diese Räumung mit polizeilicher Amtshilfe unter einem rot-rot-grünen Senat stattfindet. Unter einem Senat, der noch vor wenigen Tagen (am 29.09. 2020) an die privaten Berliner Vermieter appelliert hat, im Sinne einer „solidarischen Stadt“ Zwangsräumungen bis zum Ende des Jahres auszusetzen.

Bestürzt sind wir darüber, dass durch diese Räumung die Unternehmensgruppe Padovicz, eines der größten privaten Immobilienunternehmens Berlins, bekannt für den systematischen Verfall und forcierten Leerstand von Häusern und Wohnungen und Schikanen gegenüber Mieter*innen, politisch vom rot-rot-grünen Senat unterstützt wird. (Anmerkung: Um die Ecke der Liebig34, im Weidenweg 63 befindet sich seit Jahren ein entmietetes, leerstehendes Wohnhaus der Unternehmensgruppe Padovicz).

Wir sind aber auch ratlos angesichts einer scheinheiligen grün-linken Bezirkspolitik in Friedrichshain-Kreuzberg, die sich zwar wortreich gegen eine Räumung der Liebig34 ausgesprochen hat, aber aus nicht transparent nachvollziehbaren Gründen mehrere Verkaufsangebote der Unternehmungsgruppe Padovicz abgelehnt hat.

Wir sind deprimiert über eine Berliner Stadtgesellschaft, die es weitestgehend widerspruchslos akzeptiert, dass das Räumungsrecht eines Eigentümers, der unzählige Immobilien und Häusern in Berlin besitzt, über dem Existenzrecht eines einzelnen, seit Jahrzehnten im Friedrichshainer Samariterkiez verwurzelten Hausprojektes steht, ohne dies zum Anlass zu nehmen, das Thema „Wohnraum als Ware“ breit zu diskutieren.

Und: Für einen Senat, der auf seiner Webseite das „Diversity“-Image pflegt und sich für die Existenz der „größten lesbischen, bisexuellen, schwulen und trans* Communities Europas“ selber feiert, ist es nur peinlich, gerade jetzt die Räumung eines queer-feministischen Hausprojektes polizeilich durchzusetzen.

Auch deshalb würden wir es uns von allen Politiker*innen der Parteien der Grünen, der Linken und der SPD (im Bezirksparlament, im Senatsparlament und im Bundestag) wünschen, die mit der Räumung nicht einverstanden sind, dies noch einmal in den nächsten Tagen deutlich und in aller Öffentlichkeit zu erklären.

Spätestens seit dem Rigaer94-Räumungs-Debakel 2016 unter dem damaligen CDU-Innensenator Henkel wissen wir als direkte Nachbar*innen der Rigaer Straße, dass unsere Nachbarschaft zu einem Spielball unterschiedlicher partei-politischer Machtinteressen geworden ist. Das spiegelt sich auch in einer regelmäßig tendenziösen und journalistisch unsauberen Berichterstattung über unsere Nachbarschaft wider, die nicht einmal mehr ansatzweise um eine ausgewogene, objektive und unparteiische Darstellung bemüht ist. Wenn – wie zuletzt in einem Beitrag der RBB-Kontraste-Redaktion vom 29.09. 2020 – ein „Showdown“ am Räumungstag des 9. Oktober geradezu herbeigewünscht wird, empfinden wir Nachbar*innen das als obszön.

Wir befürchten, dass der bereits jetzt angekündigte Ausnahmezustand für den 8. bis 11.Oktober, mit der Einrichtung einer Sperrzone, inklusive Schul-und Kindergärtenschließungen und Einschränkungen bürgerlicher Grundrechte, nur der Beginn monatelanger, unverhältnismäßiger polizeilicher Maßnahmen sein werden, die Unsummen an Geld verschlingen, das für den Erhalt sozialen Wohnens (oder den Kauf des Hauses Liebig34) besser investiert wäre.

Deshalb wenden wir uns als direkte Nachbar*innen aus der Rigaer Straße und der Liebigstraße mit diesem Schreiben an die Öffentlichkeit, Presse und Politik.

Nachbarschaftsinitiative Rigaer Straße –

Nachbar*innen aus der Liebigstraße und Rigaer Straße

Kontakt: nachbarschaftsinitiativerigaer@gmx.net

WHAT’S NEXT ?
Letter in English by Fck the Fckrz collective in Residency at Liebig12
April, 2020
Sometimes they burn nonconformists who frighten them. But witches always find time to build their own fires to dance around. Walpurgisnacht is one of these occasions.
Last night, on Walpurgisnacht #2020 our neighbours, Liebig34, a feminist anarchist house project, broadcasted a live radio show from their top balcony, blasting songs, fireworks and political speeches to a dispersed but cheering, socially distanced crowd below. Then the riot police turned up. A friend described their matching outfits as ‘totally Stars Wars Convention’. They certainly were all very dressed up. Perhaps even overdressed.
A week earlier, in a neighbourhood combined mission to bring Julia, an adventurous kitten, down from the highest branches of a tree in the courtyard of our building, we got chatting with some people from Liebig34. They asked us if we’d like to participate in Walpurgisnacht, along with other self-organised projects in the area. One positive effect of these bizarre Corona times is that we have time to talk to each other more and our local community is closer together.So there we were, Fck the Fckrz collective at our space Liebig12 on 30th April 2020, setting up for a durational performance that we would do through our window and, like kids with a lemonade stand, selling our solidarity masks on a table outside the door. But our street action didn’t last long. The sky turned an intense shade of orange and a huge storm coincided with the arrival of hundreds of riot police who made their presence felt.Liebig34 continued blasting tunes from the balcony and their words rained down on the unfolding drama below. From the inside of our window, underneath question ‘WHAT’S NEXT?‘ we also continued with our performance. Behind the window screen, two performers asked each other questions, rearranged the furniture, played games… anything to pass the time, stuck still in an extended present. This is now, this is still now and this will be now for a while longer. We continued, initially to an audience of passers- by but soon they had all been pushed away by riot police who occupied the front row. Finally we got to perform to a well dressed, or even, OVER DRESSED crowd.Viva the witches of Liebigstrasse!!
#capitalismisthevirus